Fachartikel

Fitness mit Babybauch

Dieser Artikel erschien im Oktober 2014 im Fachmagazin SHAPE UP. Autorin ist Verena Wiechers, sie schrieb auch das MamaWORKOUT-Buch „Prä- & Postnatales Training – Ratgeber für sportliche Schwangere und Mütter“ und entwickelte die MamaWORKOUT-DVD-Serie.

Bis vor einigen Jahren galt Sport während der Schwangerschaft als Tabu, doch mittlerweile gilt als erwiesen: Angemessenes pränatales Training verbessert die Gesamtkonstitution einer werdenden Mutter, sie fühlt sich vitaler und typische Beschwerden sind seltener. Was aber bedeutet „angemessenes pränatales Training“? Expertin Verena Wiechers berichtet.

In keinem anderen Lebens- abschnitt ist der Organismus temporär so tiefgreifenden Veränderungen ausgesetzt wie in der Schwangerschaft. Für die Leistung, ein Baby auszutragen und zu gebären, finden im Körper umfassende Veränderungen statt, die sich auf vielfältige Weise auf die sportliche Leistungsfähigkeit auswirken. Das Ziel von pränatalem Training ist die Unterstützung beziehungsweise Vitalisierung des Körpers.

Um Über- oder Fehlbelastung auszuschließen, müssen Sie als schwangere Frau ihre sportlichen Aktivitäten den besonderen körper- lichen Bedingungen anpassen. Konkret bedeutet das:

  • Halten Sie spezifische Sicherheitsregeln ein. Die wichtigsten Sicherheitsaspekte haben wir in den Infokästen zusammengefasst.
  • Wählen Sie eine angemessene Bewegungs- form (Sportart) und beachten Sie dabei die Umsetzung einiger Trainingsmodifikationen. Auf diese Aspekte werden wir in diesem Artikel ausführlich eingehen.

Wahl der richtigen Bewegungsform
Es gibt einige Sportarten (z. B. Extremsport, Wettkampfsport oder Kampfsport sowie Tae- Bo-Kurse, High-Intensity-Kurse oder intensive Functional-Training-Kurse), die in der Schwangerschaft als kontraindiziert gelten. Im Fitnessbereich können Sie als Schwangere jedoch zahlreiche Bewegungsangebote finden, die sehr gut geeignet sind:

Gerätetraining im Fitnessclub kann bis ins dritte Trimester der Schwangerschaft hinein betrieben werden. An den Kraftgeräten darf ein moderates Kraftausdauertraining absolviert werden. Für das Herz-Kreislauf-Training empfehlen sich Crosstrainer (=Elypsentrainer), Ergometer (Stand-Fahrrad) und Liege-Ergometer (Liege-Fahrrad), da sie ein risikofreies, stoßarmes Herz-Kreislauf-Training ermöglichen. Beim Gerätetraining sind beschriebenen Trainingsanpassungen zu beachten.

Fitness- und Gymnastikkurse können teilweise bis ins letzte Schwangerschaftsdrittel besucht werden, wobei die Kursleiter für pränatales Training geschult sein sollten, um Ihnen als Schwangerer Intensitäts- und Übungsalternativen anbieten zu können.

Tanz- oder Aerobic-Kurse sind geeignet, sofern sie keine High-Impact-Belastungen (=Sprünge), schnelle Drehungen oder Ähnliches beinhalten.

Yoga und Pilates: Wurde das schon vor der Schwangerschaft praktiziert, können Schwangere dies weiter tun, ansonsten sollten sie nur dann damit anfangen, wenn der Kurs speziell für Schwangere ausgeschrieben ist.

Laufen ist im Zusammenhang mit Schwangerschaft immer wieder ein heiß diskutiertes Thema, es zählt nicht zu den „verbotenen Sportarten“, jedoch ist es nicht uneingeschränkt zu empfehlen aus folgenden Gründen: Beim Laufen entsteht eine Aufprallbelastung für den Bewegungsapparat, die in etwa dem Dreifachen des Körpergewichts entspricht. Das bedeutet: In den ersten 18 Schwangerschaftswochen sollte – wenn überhaupt – nur ganz locker gejoggt werden, um die Stoßbelastung so gering wie möglich zu halten.

Ab der 19. Schwangerschaftswoche stellen die Stoßbelastungen kaum noch Risiko für den Fötus dar, dafür wird das Laufen für den mütterlichen Körper immer ungünstiger. Denn während einer Schwangerschaft steigt das Körpgergewicht (und somit die Aufprallbelastung), während gleichzeitig die Gelenke und Muskeln weicher und instabiler werden. Gerade der Beckenring, die Lendenwirbelsäule und die Beckenbodenmuskulatur müssen beim Laufen hohe Belastungen wegstecken.

Wer in der Schwangerschaft läuft, muss aufmerksam in den Körper hineinhorchen: Tritt während oder nach dem Laufen irgendeinen Druck, Zug, Schmerz oder ein „komisches Gefühl“ im Beckenbereich auf, muss auf ein stoßarmes Ausdauertraining umgestiegen werden. Auch Energie- oder Lustlosigkeit sind Zeichen des Körpers, dass die Belastung ungeeignet für sie ist.

Spezifische Trainingsmodifikationen
Unabhängig davon, welche Bewegungsform gewählt wird, ist es notwendig, während der Schwangerschaft Trainingsmodifikationen vorzunehmen: Intensität und Übungsart sollten bewusst ausgewählt bzw. gesteuert werden. Grundsätzlich gilt:

  • Es sollte unbedingt im aeroben Bereich trainiert werden. Ein Richtwert dabei ist, dass die Herzfrequenz pro Minute unter 140 bleibt.
  • Ein guter Indikator für eine akzeptable Belastung des Körpers während der Schwangerschaft ist auch der Sprechtest: Sie sollten während des Trainings immer in der Lage sein, eine Konversation aufrecht zu erhalten.
  • High-Impact-Belastungen, schnelle Drehungen oder unkontrollierte Bewegungen sollten generell vermieden werden.

Kraftausdauertraining

  • Um sich auf das Babytragen vorzubereiten, trainieren Sie Bizeps und Schultermuskulatur mit Gewichten (ca. zwei bis drei Kilo pro Seite). Kräftigen Sie den oberen Anteil des Nacken durch das Heben von Hanteln (ca. zwei bis drei Kilo pro Seite).
  • Der Beckenboden sollte nicht separat trainieret werden, sondern besser ist ein sanftes Kräftigungstraining, dass in die normalen Kraftübungen einbezogen wird. Sprechen Sie dazu Ihren Trainer direkt an.
  • Trainieren Sie alle Bauchmuskeln sanft und statisch; einen guten Haltungsaufbau erreichen Sie mit sanfter Aktivierung des gesamten Muskelkorsetts. Machen Sie dabei jedoch keine Übungen, die den Rumpf aus der Rückenlage aufrollen (z.B. Crunch, Sit-Up). Trainieren Sie Übungen in Rückenlage nur, wenn Ihnen dies nicht unangenehm ist. Machen Sie keine Übungen in Bauchlage.
  • Für das Kraftausdauertraining während der Schwangerschaft gilt bei submaximaler Beanspruchung (= nur mittleres Anstrengungsempfinden) als optimal, jeweils ein bis zwei Sätze zu trainieren und zwischen den Sätze 60 Sekunden Pause zu machen. Die Pause können Sie mit einer Entspannungs- oder Beweglichkeitsübung füllen.

Beweglichkeitstraining

  • Bei Dehnungsübungen für den ganzen Körper setzen Sie Schwerpunkte auf Hals-/ Nackenbereich, Rücken und Hüftgelenksmuskulatur.
  • Bei Mobilisationsübungen für alle Gelenke setzen Sie den Schwerpunkt auf Wirbelsäule und Hüftgelenke.
  • Üben Sie, die Beckenboden- und Bauchmuskulatur bewusst zu entspannen und dabei weich werden zu lassen als Vorbereitung auf die Geburt.
  • Geeignet ist ein sehr sanftes statisches Stretching mit sanfter Gelenkmobilisation in alle Bewegungsrichtungen
  • Geeignet sind außerdem Atemübungen, bei denen man Beckenboden und Bauch bewusst locker lässt.
  • Beachten Sie bei allen Beweglichkeitsübungen: Dehnung mit nur leichtem Zuggefühl, kein Schmerz! Keine Gelenküberstreckung!
Autorin Verena Wiechers ist zweifache Mama, Sportwissenschaftlerin, Fitness- & Gymnastiklehrerin und Leiterin der AKADEMIE FÜR PRÄ- & POSTNATALES TRAINING, ein Ausbildungsinstitut für Hebammen, Physiotherapeutinnen und Trainerinnen. Für Schwangere und Mütter hat Verena das MamaWORKOUT-Konzept entwickelt, dieses Konzept gibt es in Video- und Buch-Form, außerdem werden deutschlandweit MamaWORKOUT-Kurse von zertifizierten Prä- & Postnataltrainerinnen angeboten.

Fachartikel

Verena Wiechers und ihr Team veröffentlichen regelmäßig Fachartikel. Hier kannst Du in die Artikel hinein schauen.

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