Fachartikel

Sport in anderen Umständen

Dieser Artikel erschien im April 2009 im Fachmagazin „TRAINER“. Autorin ist Verena Wiechers, sie schrieb auch das MamaWORKOUT-Buch „Prä- & Postnatales Training – Ratgeber für sportliche Schwangere und Mütter“ und entwickelte die MamaWORKOUT-Video-Kurse.

Noch vor wenigen Jahren wurde Schwangeren empfohlen: „Schonung, Schonung, Schonung!“ Sport galt als Tabu. Mittlerweile ist bekannt: Bewegung in der Schwangerschaft verbessert bzw. erhält die Gesamtkondition der werdenden Mutter. Es gilt als erwiesen, dass sportliche Frauen weniger Rücken- bzw. Beinvenenbeschwerden haben und die Schwangerschaft weniger anstrengend empfinden. Wenn der Frauenarzt sein „Ok“ gibt, sollte deshalb auch in der Schwangerschaft Sport getrieben werden. Allerdings gilt dies nur für unkompliziert verlaufende Schwangerschaften und das muss unbedingt mit dem Frauenarzt abgeklärt werden.

Generelles Sport-Verbot gilt z.B.

  • bei Mehrlingsschwangerschaften
  • wenn die Frau schon mal eine Fehl- oder Frühgeburt hatte
  • wenn die Frau durch eine Kinderwunschtherapie schwanger wurde
  • wenn irgendwann vorher eine Operation am Unterleib durchgeführt wurde
  • bei vorzeitigen Wehen
  • bei vaginalen Blutungen
  • bei Bluthochdruck
  • bei Schilddrüsenerkrankungen
  • bei starkem Unter- oder Übergewicht
  • Schwangere haben ein höheres Verletzungsrisiko! Zum Einen durch die Hormonumstellung, die das Bindegewebe (also auch Sehnen, Bänder etc.) lockerer macht zum Anderen durch die veränderten Körperproportionen, die die Körperwahrnehmung und die Koordinationsfähigkeit beeinträchtigen. Außerdem muss das heranwachsende Baby im Bauch vor starken Stößen oder Erschütterungen geschützt werden! Daher ist von Kontaktsportarten (z.B. Handball, Judo) abzuraten, ebenfalls von Sportarten wie Squash, Reiten oder Skifahren. Der Gang ins Fitnessstudio ist dagegen sehr empfehlenswert!

    Wie aktiv werdende Mütter beim Fitnesstraining sein dürfen, hängt davon ab wie sportlich ihr Alltag vorher war. Generell gilt, dass die Trainingsintensität in keinem Fall gesteigert werden soll. Als Trainer haben Sie in der Regel mit Frauen zu tun, die schon vor der Schwangerschaft ins Fitnessstudio gingen. Diese sollten ermutigt werden, weiterhin zu trainieren, jedoch die Intensität hinsichtlich Kraft, Ausdauer und Beweglichkeit deutlich zu drosseln. Der Körper macht zahlreiche Veränderungen mit (z.B. bildet er mehr Blut, die gesamte Statik verändert sich und es kommt zu starken hormonellen Veränderungen) und sollte deshalb weniger gefordert werden. Es geht jetzt nicht mehr darum die Fitness zu verbessern, sondern sie weitgehend zu erhalten! Es gilt: Hohe Belastungen meiden, einen Gang runter schalten, regelmäßig Pausen machen, viel trinken und auf den Körper hören! Sportlicher Ehrgeiz ist tabu!

    Frauen, die vorher gar keinen Sport betrieben haben, sollten sich in die Hände von Trainern begeben, die sich auf Schwangere spezialisiert haben und nur sehr sanft trainieren; empfehlenswert sind Kurse wie Schwangerschafts- Yoga oder –Pilates.

    Fitnesstrainer sollten über folgende Zusammenhänge aufgeklärt sein, wenn sie mit Schwangeren arbeiten: Direkt zu Beginn spüren die Frauen Einbußen in ihrer Leistungsfähigkeit, denn es bilden sich zusätzliches Blut (ca. 1 Liter) und Wassereinlagerungen im Gewebe, der Muskeltonus der glatten Muskulatur sinkt (d.h. Gefäße, Organinnenwände sind weniger elastisch) und die Brüste werden größer bzw. schwerer. Außerdem können Übelkeit, Schwindel und Stimmungsschwankungen auftreten. Etwa ab der 12. Woche verändern sich dann immer mehr die Körperproportionen und damit auch die Statik, was die Körperwahrnehmung, Koordinationsfähigkeit und somit auch die Bewegungssicherheit beeinflusst. Die Bauchmuskeln weichen auseinander und es kommt zur Auflockerung des gesamten Bandapparats, das bedeutet, der Körper ist nicht mehr so stabil wie früher. In den letzten drei Schwangerschaftsmonaten wird es dann beschwerlich, denn der Bauch und das Gewicht belasten den gesamten passiven Bewegungsapparat hoch. In erster Linie leiden die Wirbelsäule und die Füße. Der Beckenboden wird durch das Gewicht des Kindes immer instabiler und außerdem lässt die größer werdende Gebärmutter den Organen (auch der Lunge) nur noch wenig Platz. In dieser letzten Phase sollten Schwangere extrem sanfte Bewegungsformen wählen, die nicht belasten wie z.B. Aquafitness und sanftes Rückentraining oder Pilates. Manche Frauen haben am Schluss auch einfach keine Lust mehr auf Sport, mit diesen sollte ein Trainer dann Entspannungsübungen für den Rücken und Haltungsschulung durchführen.

    Ausdauertraining

    Während der Schwangerschaft sollte regelmäßig sanftes Ausdauertraining durchgeführt werden, das ist eine gute Vorbereitung, um auch mit dem dicker werdenden Bauch nicht außer Puste zu kommen. Hinsichtlich des Ausdauertrainings gilt:

  • Hohe Intensitäten und Stoßbelastungen wie sie beim Joggen und High-Impact-Aerobic vorkommen, vermeiden!
  • Als Richtwert für die Herzfrequenz gilt: Nicht mehr als 60-65% der maximalen Herzfrequenz!
  • Wandern, Nordic Walking, Radfahren oder Schwimmen sind als Sportarten generell gut geeignet. Im Fitnessstudio sind als Ausdauergeräte der Fahrradergometer oder der Crosstrainer zu empfehlen. Low-Impact-Aerobic und Low-Impact-Step kann in den ersten 5-6 Monaten noch gemacht werden, wenn die Frau jahrelange Erfahrung in dem Bereich hat. Generell gilt im Kursraum: Nicht hüpfen, keine Drehungen und keine komplizierten Schritte!
  • Gegen Ende Schwangerschaft muss das Ausdauertraining angepasst werden: Aquafitness/Aquajoggen ist ideal, eine gute Alternative ist auch das Liegefahrrad.
  • Kraft- und Beweglichkeits- und Koordinationstraining

    Auch Kraft, Beweglichkeit und Koordination sollten weiter trainiert werden, damit die Frau die Schwangerschaft möglichst fit und beschwerdefrei durchleben kann. Für des Kraft- und Beweglichkeitstrainings gilt:

  • Von Anfang an (spätestens jedoch ab der 12. Woche) die Intensität der Übungen hinsichtlich Kraft-, Beweglichkeits- und Koordinationsanspruch reduzieren!
  • Nur noch Übungen ausführen, bei denen sich die Frau sanft belastet fühlt! Immer wieder nach dem Befinden fragen! Sobald Unwohlsein entsteht, das Training abbrechen!
  • Keine Übungen mehr, die den Rumpf aus der Rückenlage aufrollen (z.B. Crunch)! Übungen, die sanft die statische Kraft der Bauch- bzw. Rumpfmuskeln trainieren, so lange wie möglich machen, da dies den typischen Kreuzschmerzen entgegen wirkt.
  • Wichtig: Sanftes Training der Extremitäten und Stabilisierung der Körpermitte!
  • Dehnpositionen nicht mehr bis zur Dehnschwelle (Schmerz) ausführen!
  • Ab der 12.-15. Woche kann die Frau nicht mehr auf dem Bauch liegen. I.d.R. spürt die Frau selbst wann es soweit ist, da ein Druckgefühl entsteht. Alternativübungen (z.B. im Vierfüßlerstand) anbieten!
  • In etwa ab dem 6. Monat sollten Schwangere nicht mehr längere Zeit auf dem Rücken liegen, weil das Kind auf große Gefäße, Organe oder auf Nerven drücken kann. Alternativübungen z.B. in der Seitlage anbieten!
  • Während der Schwangerschaft ist ein stabiler, kräftiger Beckenboden wichtig, weil er das Kind trägt und die Haltung stabilisiert. Bei der Geburt ist es jedoch wichtig, den Beckenboden locker lassen zu können. Demnach sollten Schwangere sich auf das gezielte Anspannen und Entspannen des Beckenboden konzentrieren. Hier ist Pilates gut geeignet!
  • Es sollte viel Rückenentspannung und Haltungsschulung stattfinden! Da mit wachsendem Bauch immer mehr „Hohlkreuz“ entsteht, müssen Schwangere lernen beim aufrechten Stehen und in den verschiedenen Bodenpositionen, das Becken aufzurichten und die Lendenlordose abzuflachen.
  • Autorin Verena Wiechers ist zweifache Mama, Sportwissenschaftlerin, Fitness- & Gymnastiklehrerin und Leiterin der AKADEMIE FÜR PRÄ- & POSTNATALES TRAINING, ein Ausbildungsinstitut für Hebammen, Physiotherapeutinnen und Trainerinnen. Für Schwangere und Mütter hat Verena das MamaWORKOUT-Konzept entwickelt, dieses Konzept gibt es in Video- und Buch-Form, außerdem werden deutschlandweit MamaWORKOUT-Kurse von zertifizierten Prä- & Postnataltrainerinnen angeboten.

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